DIE HAARSCHUBLADE
Wagenbach Verlag, 08/09
Aus dem Französischen von Nathalie Mälzer-Semlinger.
Uhr auch online hören – in der SR-Mediathek. [« Die Haarschublade », Länge ca. 61:30 Min.]
Ein kleiner Ort im Süden Frankreichs. Füfter Stock. Eine sehr junge Frau mit zwei Kindern. Ein alltägliches, kein gewöhnliches Leben. Emmanuelle Pagano erzählt die Geschichte einer unerwiderten, unerwiderbaren Liebe.
Mit der Schule war natürlich Schluss, als das erste Kind zur Welt kam. Ihre Chance auf ein normales Leben dahin. Nun arbeitet sie als Aushilfe in einem Friseurgeschäft, um etwas Geld dazuzuverdienen, und auch, um sich dem Alltag mit Titouan und Pierre wenigstens vorübergehend zu entwinden. Außerdem mag sie Haare, nicht nur die ihrer Söhne.
Der jüngere ist ein zappliger Kobold, der ältere lebt still in einer eigenen, fremden Welt. Sie sorgt und pflegt und liebt sie, Tag um Tag. Fraglos haben ihre Eltern und manche andere in dem Provinzort eine Meinung zu all dem – und eine Lösung parat. Doch entscheiden muss sie sich allein.
In diesem Buch stellt sich Emmanuelle Pagano erneut einem existentiellen Thema: Minimalistisch, präzise und pur erzählt sie die Geschichte einer Liebe ohne Echo.
Pressestimmen
„Emmanuelle Pagano bringt nichts aus der Ruhe. Ihr Ton ist teilnahmslos, ohne Empörung, ohne Aufregung, leise Sätze reihen sich aneinander, und nach 136 Seiten hört das Buch schon wieder auf, als hätte man eine flüchtige Bewegung nur aus dem Augenwinkel wahrgenommen. Alleinerziehende Mutter, sexuelle Gewalt. Ausgrenzung, Armut. Der wachsende Niedriglohnsektor in der EU. All das enthält das Buch, und all das scheint ihm aber auch egal zu sein. Denn solche Diskussionen sind Pagano zu einfach, zu, nun ja, sentimental, denn immerhin beruhen sie auf gemeinschaftlichem Denken, und die Einsamkeit einer Mutter, die ihr Kind nicht versteht, lässt sich nicht auflösen, indem Integrationsschulen zur Verfügung gestellt werden. So sieht es Pagano zumindest. Ein weiblicher Weltschmerz. Sie kann nur die Schultern zucken angesichts des Leids, von dem sie erzählt. „Impassibilité » hieß diese kühle Erzählhaltung bei Flaubert, der die Einsamkeit sozusagen erfunden hat.
Die „Haarschublade » liest man wegen der Atmosphäre, wegen Paganos Fähigkeit, mit ein paar Sätzen eine Stimmung entstehen zu lassen, wie ein Zeichner ein paar Striche aufs Papier zieht. »
Elisabeth Raether, die tageszeitung
„Dieses Buch mochte ich sofort. Wegen des Titels und der Frau mit dem Rad auf dem Cover. Und dann kam die Geschichte: Eine junge Frau liebt Haare – vor allem die ihrer Kinder. Zwei Söhne hat sie, der Zweijährige ist ein Wildfang, der Fünfjährige lebt ganz in seiner Welt, seit seiner Geburt, denn Pierre ist behindert, die Zukunft seiner Mutter „verpfuscht ». Das denken alle in dem südfranzösischen Dorf. Bis auf den Alten und ihre Nachbarin, die ihre Nase lieber in Bücher steckt, als in fremde Angelegenheiten. Mit dieser Figur hat sich Emmanuelle Pagano selbst in die „Haarschublade » geschmuggelt. Im Epilog sagt sie: „ich habe diese Geschichte ohne jede Erlaubnis geschrieben, damit ich endlich – wen auch verspätet – sagen kann: Er ist schön, dein Sohn. » Da war aus meiner Liebe längst Hochachtung geworden für diesen kleinen Roman, der alles sagt über Menschen, die über sich hinauswachsen. »
Angela Wittmann, Brigitte
„Narben erzählen etwas. Sie erinnern an Menschen, an Orte, an Unglücke. Sie sind der Beweis dafür, dass man eine Geschichte hat, der Beweis dafür, dass Verletzungen heilen können. Narben sind überstandener Schmerz. Die offenen Wunden fühlen sich gewaltig an beim Lesen der Geschichte einer jungen Französin, die mit nur 14 Jahren ein schwerbehindertes Kind zur Welt bringt und damit Unordnung in eine Dorftristesse, in der die Vorhänge der Nachbarn zugezogen sind. Ist dieses Kind Pierre eine Narbe, die man stolz seinen Freunden präsentieren kann? Oder ist Scham angebracht?
Emanuelle Pagano lässt eine junge Mutter zu Wort kommen, die es gewohnt ist, Probleme mit sich allein auszumachen. Die Sprache der 40-Jährigen ist unheimlich klar. Schnörkellos legt sie die Gedanken der Mutter offen. Beim Lesen fühlt man sich als unerwünschter Beobachter. Das Hinschauen schmerzt auf einigen Seiten so sehr, dass man sich kaum traut, umzublättern. Man möchte das Buch zuklappen, endlich weggucken, doch wagt man nicht, diese Frau allein mit ihrem Schicksal zurückzulassen. »
Juliane Primus, Tagesspiegel
„ »Die Haarschublade » erzählt eine kleine Geschichte von kleinen Leuten, die einen deshalb so packt, weil die Erzählerin dieses reichlich unperfekte Leben ziemlich perfekt darstellt: mit ihrem reduzierten Sprachduktus, mit ihren schlauen Montagetechnik, mit ihrer Vorsicht den Figuren gegenüber. Die junge Frau, die nichts vom Leben versteht – sie ist wie sie ist, aber sie hat bei Emmanuelle Pagano das Schönste, Beste, Wahrste verdient. Am Ende ist man geradezu verzaubert – von dem Respekt und der Wärme, die Emmanuelle Pagano mit Hilfe ihrer Kunst ihrer Heldin angedeihen lässt. »
Ulrich Noller, WDR
„Emmanuelle Pagano schreibt kurze, stakkatohafte Sätze, in denen kein Wort überflüssig ist. Die Sprache ist vollkommen unpathetische und erzeugt durch ihre Klarheit einen ungeheuren Sog. Man folgt der Hauptfigur geradezu gebannt in ihre enge Welt, in ihre ärmliche Wohnung mit dem sabbernden behinderten Kind und der dominanten Mutter. Dazu gehört eine enorme erzählerische Kraft »
Dina Netz, SWR 2
Die Haarschublade
Roman
TTcom, 20/02/10.
RFI, 18/08/09
NDR Kultur, 03/09/09
Wiener Zeitung, 05/09/09
Derwesten, 12/09/09
Der Tagesspiegel, 13/09/09
Metropolis, Arte, 10/10/09
Die Buchhändlerin im Radio
wdr5, 12/09/09
Literaturen, okt 09
Deutschlandradio Kultur, 28/09/09 und 27/11/09.
Neue Zürcher Zeitung, 13/10/09
TAZ, 14/10/09
Kurier, 27/11/09
Brigitte, 9/11/09
Meerbuscher Nachrichten, 21/10/09
Titel magazin, 7/12/09
Neues Deutschland, 17/12/09
WDR, 16/12/09
amazon
evangelisch.de, 17/11/09
Lesenblog, 17/12/09
jennys-lessecke, 19/01/10
General Anzeiger, Bonn, 22/04/10
op-online, 27/07/11
Hörspiel
Dieter Wunderlich, 22/08/09
Fix Poetry, 28/08/14